Kündigungsgrund Führungskraft – Zündstoff für die Unternehmenskultur

Kündigungsgrund Führungskraft | NADJA HENRICH

Traurig, aber wahr – der Kündigungsgrund Führungskraft taucht in so gut wie jeder Fluktuationsstudie ganz oben auf. Wie kann das sein? Unternehmensverantwortlichen sollte schließlich klar sein, dass Führung einen enormen Einfluss auf die Zufriedenheit, die emotionale Bindung und die Performance von Mitarbeitenden und ganzen Teams nimmt. Liegt es an einem Fehlverhalten? Oder eher an „fehlendem Verhalten“? Was zeichnet gute Führung aus? Und wie können Unternehmen ihre Führungskultur positiv beeinflussen? Mehr dazu erfahren Sie in diesem Praxistipp.

Lesedauer: 3 Minuten

Nicht der Job, sondern dem Chef wird gekündigt

Es gibt immer wieder Zahlen, die mich in Erstaunen versetzen. Ein Beispiel: Nur etwa 17 Prozent der deutschen Mitarbeitenden verspüren eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber (aus Gallup Engagement Index 2021). Die übrigen 83 Prozent geben diese als gering oder nicht vorhanden an.

Ebenso verhält es sich mit Statistiken rund um das Kündigungsverhalten. Eine Studie von Mc Kinsey (2022) offenbarte, dass die meisten Mitarbeitenden ihr Unternehmen wegen des Gehalts verlassen (39 Prozent). Knapp dahinter rangierte die Führungskraft als Kündigungsgrund (36 Prozent).

Diese Ergebnisse bestätigte auch eine Studie von Xing und Appinio (2023), die speziell Kündigungen im ersten Jahr untersuchte. Hier standen Gehalt und Führungskraft gleichauf mit jeweils 43 Prozent der Nennungen. Das heißt: Fast jede zweite Kündigung lässt sich auf die Führungskraft zurückführen. Zudem gaben nur 25 Prozent der Befragten an, dass sie wirklich zufrieden mit ihrem Chef bzw. ihrer Chefin sind.

 

Der Kündigungsgrund Führungskraft wird oftmals ignoriert

Auch das ist kaum zu glauben, aber entspricht leider meinen Erfahrungen. In Unternehmen wird zu wenig nachgeforscht, welche Rolle Führungskräfte bei Kündigungen spielen. Zudem wird nicht ausreichend berücksichtigt, welche Konsequenzen das hat. Ich habe den Eindruck, dass sich Verantwortliche davor scheuen, das Thema überhaupt anzusprechen. Geschweige denn, aktiv zu werden.

Im Hinblick auf die Folgekosten, die das in Zeiten des Arbeitskräftemangels verursacht, ist das mehr als verwunderlich. Eine erhöhte Fluktuation, langfristige Vakanzen und erneute Rekrutierungskosten auf der einen Seite. Sinkende Motivation, weniger Loyalität gegenüber dem Unternehmen und eine geringere Leistungsbereitschaft auf der anderen. Was schlechte Führung in punkto Unternehmenskultur und Arbeitgeberattraktivität anzurichten vermag, lässt sich mitunter gar nicht erfassen.

Es gibt also überwältigend gute Gründe für Unternehmen, sich der Führungsarbeit und deren Einfluss auf die Kündigungsbereitschaft intensiv zu widmen.

 

Führung wird immer anspruchsvoller

Es scheint ein altbekannter Spruch zu gelten: Mitarbeitende kommen wegen des Jobs und gehen wegen ihrer Führungskraft. Woran das liegt? Zumeist ist es ein Zuviel oder Zuwenig. Beispielsweise ein Zuviel an Kontrolle, an Präsenz oder an eigenen Vorstellungen. Oder aber ein Zuwenig an Kommunikation, an Orientierung, an Wertschätzung. Es ist also nicht nur unpassendes Verhalten, es sind auch Versäumnisse ausschlaggebend.

Um das richtige Mittelmaß in der Führungsarbeit zu finden, gibt es keine goldene Regel. Fest steht, dass Führung bei all den Herausforderungen unserer VUKA-Welt immer anspruchsvoller wird. Komplexere Rahmenbedingungen treffen auf differenzierte Erwartungshaltungen von Mitarbeitenden. Hinzu kommen große Veränderungen in immer kürzerer Taktung. Den Führungskräften wird einiges abverlangt. Und nicht alle können die Erwartungen erfüllen, wie die Kündigungsstatistiken zeigen.

 

Was gute Führung auszeichnet

Was bedeutet gute Führung? Darauf scheint es mehrere Antworten zu geben, betrachtet man die Vielzahl an Führungsmodellen. Fest steht: Das Set an notwendigen Fähigkeiten für zeitgemäße Führung wird immer umfangreicher, das richtige Maß an Führung zur Gratwanderung.

Eine entscheidende Kompetenz ist Empathie, also die Fähigkeit, Gefühle anderer zu erkennen, anzunehmen und darauf zu reagieren. Das bedeutet im Alltag, zuzuhören, genau zu beobachten, sich Zeit für das Gegenüber zu nehmen, interessiert zu sein und immer wieder den eigenen Standpunkt zu hinterfragen.

Darüber hinaus gibt es weitere zentrale Eigenschaften, die eine gute Führungskraft auszeichnen: Die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflexion etwa, aber auch Eigenschaften wie Achtsamkeit und Demut. Eine Grundvoraussetzung dafür ist das Gewinnen von Klarheit – die eigene Rolle, die eigenen Ziele betreffend.

Ziele sind ein gutes Stichwort. Denn das Vermitteln einer Führungsvision ist ebenso von Bedeutung wie das Empowerment der eigenen Mitarbeitenden. Hinzu kommen wesentliche Verhaltensweisen im beruflichen Alltag wie Sicherheit geben, Vertrauen stärken, konstruktives Feedback geben und Wertschätzung vermitteln.

 

Wie Unternehmen Einfluss auf die Führungskultur nehmen können

Wie eingangs erwähnt, verschließen viele Verantwortliche die Augen. Der entscheidende Hebel besteht also darin, sich intensiver mit der eigenen Führungskultur auseinander zu setzen. Dafür sehe ich folgende Ansatzpunkte:

  • Status Quo ermitteln – Wie ist es eigentlich um die eigene Führungskultur bestellt und welche Rolle spielt der Kündigungsgrund Führungskraft innerhalb der eigenen Organisation? Ein bewährtes Mittel, um das zu ergründen sind regelmäßige Unternehmensumfragen, 360-Grad-Feedbacks oder systematische Offboarding-Gespräche. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sind Gold wert.
  • Auf Haltung achten – Haben Sie Klarheit darüber, wen Sie sich für Ihr Unternehmen als Führungskraft wünschen? Damit meine ich nicht nur ein fachliches Kompetenzprofil, sondern ein Skillset, das auch in die Unternehmenskultur passt. Aus meiner Sicht ist entscheidend, dass Führungskräfte die Bereitschaft mitbringen, sich in der eigenen Rolle und Persönlichkeit weiterzuentwickeln und gleichzeitig ein ehrliches Interesse daran haben, die Menschen im eigenen Team weiterzuentwickeln. Leider steht immer wieder die eigene Karriere im Vordergrund.
  • Auswahlprozess optimieren – Um sich als Unternehmensverantwortliche bzw. HR-Vertreter möglichst sicher zu sein, empfehle ich neben Interviews auch die Durchführung einer wertbasierten, wissenschaftlich fundierten Potenzialanalyse. Zusätzlich sollten in den Auswahlprozess das spätere Team sowie Führungskräftekollegen eingebunden werden.
  • Onboardingprozess optimieren – Schon vor Eintritt oder aber während der Einarbeitungsphase kann das Unternehmen die Führungskraft durch ein Pre-Coaching begleiten. Ja, eine frühzeitige Förderung und Entwicklung kosten Geld. Sie ist jedoch eine Investition in Ihre gemeinsame Zukunft und sie lohnt sich allemal im Vergleich zu möglichen Folgekosten (siehe oben). Auch steigen damit Professionalität und Attraktivität für Sie als Arbeitgeber.
  • Situative Unterstützung von Führungskräften – Das ist ein entscheidender Hebel. Insbesondere, wenn die Führungskräfte neu im Unternehmen oder neu in Führungsverantwortung sind (siehe hierzu Unterstützung für Führungskräfte). Doch auch in Changeprozessen bietet sich eine Begleitung außerhalb der Norm an. Das kann beispielsweise durch ein begleitendes Coaching erfolgen.
  • Langfristige Entwicklung von Führungskräften – Damit Ihre Führungskräfte das gewünschte Set an Handlungs- und Haltungsgrundsätzen verinnerlichen und um typische Führungsfehler zu vermeiden, bieten sich sowohl standardisierte Führungskräfteseminare als auch Mentorings oder regelmäßige Coachingsitzungen an.

Generell möchte ich nochmals die Bedeutung der Personalentwicklung für Unternehmen betonen, insbesondere vor dem Hintergrund des Fach- und Arbeitskräftemangels. Wer sich wohlfühlt, der bleibt. Das gilt für Führungskräfte ebenso wie für Mitarbeitende. Insofern lohnt sich ein Investment in die Entwicklung der eigenen Belegschaft in mehrfacher Hinsicht. Und natürlich die enge Begleitung Ihrer Führungskräfte.

Wie eine solche Begleitung im konkreten Fall aussehen kann, ist natürlich situationsabhängig. Typische „Unterstützungsmomente“ für Führungskräfte können Sie der Übersicht auf meiner Coaching-Seite entnehmen. Und wenn Sie jetzt noch offene Fragen dazu haben oder mehr erfahren möchten, dann …