Warum Demut als Führungseigenschaft so bedeutsam ist

Demut als Führungseigenschaft | Nadja Henrich

Wenn es um Schlüsselkompetenzen von Führungskräften geht, wird Demut als Führungseigenschaft meistens nicht genannt. Erstaunlicherweise, denn sie nimmt eine zentrale Rolle in New-Leadership-Konzepten ein. Demut ist dabei als Ausdruck einer inneren Haltung zu verstehen, welche die Bedeutung der eigenen Person relativiert und dafür das Team sowie die gemeinsam vereinbarten Ziele in den Vordergrund rückt. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Ein Begriff mit vielen Facetten

Die Entstehung des Wortes „Demut“ reicht sprachgeschichtlich weit zurück. Ursprünglich wurde damit die Bereitschaft bezeichnet, einen Dienst zu verrichten. In dieser Bedeutung wurde Demut sogar zur ritterlichen Tugend erhoben, wobei sich der „Mut zu dienen“ zumeist auf religiöse Aspekte bezog (die Verrichtung von Gottes Werk). Daneben wurde Demut aber auch als Gesinnung des Untergegeben gegenüber seinem Herrn verstanden.

Heute wird der Begriff in unterschiedlichem Kontext und mit wechselnder Bewertung verwendet. In der Psychologie etwa drückt Demut eine Haltung aus, sich als Teil eines großen Ganzen zu fühlen. Damit verbunden sind der Respekt vor Anderen und die Bewusstheit der eigenen Rolle in der Gemeinschaft. In Führungskreisen gilt Demut – etwa überspitzt ausgedrückt – nicht gerade als Wunscheigenschaft des Monats. Zumindest bleibt sie in aller Regel unerwähnt, wenn von Schlüsselkompetenzen oder Entwicklungsfeldern die Rede ist. Vermutlich deshalb, weil mit dem Begriff auch Schwäche, Verwundbarkeit oder fehlende Autorität in Verbindung gebracht werden. Dabei ist Demut nach meinem Verständnis genau das Gegenteil: ein Zeichen von Stärke, ein effizientes Instrument zur Schaffung von Commitment, eine zentrale Eigenschaft für Führungskräfte …

 

Moderne Führung setzt Demut gewissermaßen voraus

Warum Demut eine erstrebenswerte Eigenschaft bzw. Haltung ist? Eine erste gute Antwort lautet: Weil heutzutage niemand mehr gerne für Vorgesetzte arbeitet, die sich „erhöht“ fühlen und auf ihr Team herabblicken. Und ja, das ist leider noch gelebter Alltag in vielen deutschen Unternehmen. Führungskräfte bedienen sich oftmals zu sehr ihrer Macht und Rolle, obwohl diese nur „geliehen“ ist. Anders ausgedrückt: Sie begegnen Menschen zu wenig auf Augenhöhe, betrachten sich in ihrer Entscheiderfunktion als unfehlbar.

Dabei vergessen Führungskräfte allzu gern, dass der Kern ihrer Aufgabe darin besteht, die ihnen anvertrauten Menschen dazu zu befähigen, ihre Talente einzubringen, ihr Potenzial zu zeigen und ihren Beitrag zur gemeinsamen Zielerreichung zu leisten. Die Erfolge des eigenen Verantwortungsbereiches sind nicht die Erfolge der Führungskraft. Doch wie oft erlebe ich es, dass sich Führungskräfte für etwas rühmen, was im Grunde genommen ihre Mitarbeitenden zustande gebracht haben … Die berühmten fremden Federn zieren ausgesprochen viele Führungshäupter. Auch wenn die Zeiten von Häuptling und Indianer im Führungswesen längst vorbei sind. Es verwundert daher nicht, dass die Motivation des gesamten Teams sinkt, wenn ihm die Schau gestohlen wird. Wer als Führungskraft ein zufriedenes, leistungsstarkes Team möchte, für den wird Demut als Führungseigenschaft zur zwingenden Voraussetzung. An dieser Stelle offenbart sich übrigens einmal mehr die Bedeutung von Teamentwicklung für den gemeinsamen Erfolg.

 

Ausdruck einer inneren Haltung

Vielleicht sollten wir Demut als Führungseigenschaft jetzt etwas konkreter fassen. Ich verstehe darunter die Fähigkeit, die eigene Person zugunsten eines gemeinsamen Zieles oder einer Idee hintan zu stellen. Grundvoraussetzung dafür ist, die eigene Führungsrolle als Mittel zur Zielerreichung zu sehen, die zwar auch dominantere Eigenschaften hervorbringen muss (beispielsweise Klarheit, Kommunikationsstärke und Durchsetzungsvermögen), aber eben auch andere Attribute umfasst. Dazu zählt, ein ehrliches Interesse an anderen zu haben, sie stark zu machen und auf diese Weise seine eigenen Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Eine demütige Führungskraft erkennt an, dass die Zielerreichung im Idealfall auch ohne die eigene Person stattfinden kann und stellt sich selbstbewusst die Frage: „Wie kann ich mich als Chef verzichtbar machen?“

Meiner Erfahrung nach hat Demut als Führungseigenschaft nichts mit Alter und Lebenserfahrung zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein Mindset, welches man erlernen kann. Dahinter steht das Selbstverständnis, dass ich von anderen lernen kann, dass mir (Selbst-)Reflexion wichtig ist, dass ich bescheiden bleibe in meiner Selbsteinschätzung, dass ich mir auf der anderen Seite meiner Stärken durchaus bewusst und dafür dankbar bin und dass ich meine Fähigkeiten zum Wohle der Gruppe (und zur Zielerreichung) einsetze. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich wieder einmal der Einfluss der inneren Haltung auf soziale Beziehungen, wie ich an anderer Stelle bereits erläutert habe (siehe Praxistipp).

 

Übergreifende Berücksichtigung von Demut als Führungseigenschaft

Demut zu erlernen, liegt nicht nur im Verantwortungsbereich der Führungskräfte. Sie kann auch seitens der Organisation aktiv gefördert werden – von Anfang an. Bereits in der Personalauswahl kann die Haltung von Kandidat*innen bezüglich einzelner Themenbereiche unter die Lupe genommen werden. Sofern es dem Unternehmen wichtig ist, sollten Demut und artverwandte Führungseigenschaften als Teil des Kompetenzprofils definiert werden.

Doch auch innerhalb des bestehenden Organisationsgefüges kann Demut als Thema in den Vordergrund gerückt und nachhaltig weiterentwickelt werden. Der Geschäftsleitung und dem HR-Bereich stehen hier mannigfaltige Optionen zur Verfügung, von Führungskräfteseminaren über die bereits erwähnten Teamentwicklungen bis hin zu gezielten Coachingsitzungen mit externer Begleitung.

Leider gibt es einige Unternehmen, die Demut entweder nicht als relevantes Thema erachten oder es schlichtweg gar nicht auf dem Schirm haben. Auch dahinter steht eine innere Haltung, die ihren Anfang nicht selten „ganz oben“ nimmt. Demut kann sich als produktive, starke Führungseigenschaft nur dann organisationsintern etablieren, wenn sie von der Geschäftsleitung vorgelebt wird.

Dabei sind die (in diversen Studien nachgewiesenen) positiven Auswirkungen von Demut als Führungseigenschaft auf die gesamte Organisation von großer Tragweite. Führungskräfte mit einer entsprechenden inneren Haltung können sich und andere besser einschätzen, neigen weniger zu Vorurteilen, fördern den Austausch und die Leistungsfähigkeit im Team und schaffen Vertrauen. Auf diese Weise nehmen sie Einfluss auf die Zufriedenheit und das Commitment von Mitarbeitenden. Der Fokus des gesamten Wirkens liegt mehr auf dem „Wir“ und weniger auf dem „Ich“. Das erscheint eigentlich wie die Auflistung von Vorteilen im Zusammenhang mit New-Leadership-Konzepten, oder? Ich wage zu behaupten: Das ist kein Zufall.

Mehr „Wir“ und weniger „Ich“ … Wenn das auch Ihr Führungsverständnis trifft und Sie dahingehend Fragen haben, Austausch wünschen oder Unterstützung benötigen, dann melden Sie sich bei mir. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, dem Link weiter unten zu folgen und mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich komme dann zeitnah auf Sie zu.

 

 

Titelbild: Brigitte Katzensteiner

 

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