Authentischer und erfolgreicher durch emotionale Führung

Authentischer und erfolgreicher durch emotionale Führung | NADJA HENRICH

Es gibt sicherlich viele Menschen, die emotionale Führung für ein widersprüchliches Konzept halten. Denn Gefühle – oder zu viele davon – haben am Arbeitsplatz nur bedingt etwas verloren, oder? Tatsächlich bin hier gänzlich anderer Meinung. Emotionen sind heute – so meine tiefe Überzeugung – ein ganz wesentlicher Teil der Führungspersönlichkeit. Doch was ist eigentlich gemeint, wenn wir von Emotionen sprechen? Wie sehr können wir Emotionen steuern? Und welche positiven Wirkungen üben sie im beruflichen Kontext aus? Auf diese und weitere Fragen möchte ich in diesem Praxistipp ein paar Antworten geben.

Lesedauer: 2 Minuten

Emotionen sind vielmehr als „nur” Gefühle

Aber was sind Emotionen eigentlich? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Vielleicht übersetzen Sie es mit „Gefühle“. Doch damit haben sie noch keine Definition gefunden, sondern nur ein alternatives Wort.

Der Grund dafür ist, dass Emotionen ein komplexes Zusammenspiel aus mehreren Komponenten sind. Tatsächlich entsteht ein subjektives Gefühl, wenn ich mich in einer bestimmten Situation befinde. Doch damit nicht genug: Gleichzeitig suche ich nach einer kognitiven Einordnung dieser Situation. Ich zeige ein bestimmtes Verhalten (durch Mimik, Gestik, etc.), kann körperliche Veränderungen bei mir wahrnehmen (z.B. Herzfrequenz) und entwickle einen Wunsch oder eine Motivation.

Emotionen verändern etwas in Menschen und sie können nur bedingt kontrolliert werden. Auch aus diesem Grund werden sie im Business-Kontext häufig als etwas Nachteiliges gesehen. Vor allem Führung und Emotionen werden gerne getrennt und dafür sachliche Aspekte in den Vordergrund gerückt.

 

Ein beruflicher Alltag ohne Emotionen? Undenkbar!

Auch wenn Emotionen nicht thematisiert werden, sie spielen in unserem Alltag eine zentrale Rolle. In einem Coaching hatte ich jüngst wieder mit einer Klientin zu tun, die als Neu-Führungskraft auf ein Team traf, das jeder Veränderung skeptisch gegenüberstand und sogar offene Ablehnung zeigte. Und das, obwohl sie für ihre Ideen gute Gründe hatte und aus rationaler Perspektive nichts dagegen sprach.

Phasen der Veränderungen wie im erwähnten Beispiel rufen häufig negative Emotionen hervor. Doch das ist bei weitem nicht der einzige Kontext. Um ein weiteres Beispiel zu benennen, möchte ich noch auf die Art der Führung eingehen: Sehr häufig habe ich mit Unzufriedenheiten zu tun, weil eine Führungskraft zu passiv oder zu dominant, zu distanziert oder zu komplizenhaft, zu wenig fördernd oder zu fordernd ist. Ich könnte noch viele weitere Quellen von Unzufriedenheiten anführen, möchte es hier aber dabei belassen.

Denn bevor Emotionen hier einseitig ausgelegt werden: Ich erlebe auch sehr häufig, welche positive Wirkung von Emotionen ausgehen kann: Wie etwa eine Führungskraft aufblüht, wenn sie Emotionen mit dem Team teilt. Wie ein Team über sich hinauswächst, weil es von einer neuen Motivationswelle erfasst wurde. Wie die Motivation steigt, wenn eine Führungskraft ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitenden hat und sich um diese kümmert. Oder wie die Euphorie am Ende manches Veränderungsprozesses überwiegt, der doch vorab so nachteilig eingeschätzt wurde …

Diese einfachen Beispiele zeigen:

  • Emotion ist nicht gleich Emotion.
  • Emotionen verändern, motivieren, sind regelrecht ansteckend.
  • Wir geben uns einer Illusion hin, wenn wir Emotionen aus unserem beruflichen Alltag verbannen oder auf ein Minimum reduzieren wollen.

 

Führung und Emotionen sind wie zweieiige Zwillinge

Die Arbeitswelt im digitalen Zeitalter (siehe VUKA-Welt) bringt mit sich, dass Führungskräfte in unterschiedlichen, teils sogar gegensätzlichen Führungsrollen wirksam werden müssen. Mal sind sie Stratege, mal Entscheider, mal Coach, mal Motivator, mal Lernbegleiter und noch einiges mehr. Stets mit im Gepäck sind Emotionen. Denn eine Führungskraft sollte …

  • Emotionen zeigen – also in der Lage sein, zu motivieren, Verständnis zu zeigen, Rückhalt zu geben, empathisch zu sein, etc.
  • auf Emotionen reagieren – also Sorgen, Ängste, Kritik, etc. aufnehmen und zielführend damit umgehen.

Das ist alles andere als einfach, denn es erfordert eine besondere Art von innerer Bewusstheit, um Gefühle wahrnehmen, benennen, einordnen und damit umgehen zu können. Diese Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle erkennen und lenken zu können, wird auch als emotionale Intelligenz bezeichnet.

 

Emotionale Führung bewirkt Erstaunliches

Emotionen zuzulassen und sie aktiv in der Führung einzusetzen ist demnach eine besondere Fähigkeit von Führungskräften. Was dafür notwendig ist? Ein hohes Maß an Selbstreflexion und die Fähigkeit zur Empathie. Eine emotional intelligente Führungskraft, die auf Bedürfnisse der Mitarbeitenden und des Teams eingeht, wird als besonders nahbar, authentisch und vertrauensvoll wahrgenommen.

Selbstverständlich hat das große positive Begleiteffekte. Emotionale Führung steigert die Mitarbeiterzufriedenheit, die Qualität der Zusammenarbeit im Team, die Leistungsbereitschaft und Motivation und damit unter dem Strich auch die Teamleistung.

Dabei meint emotionale Führung nicht, dass es sich um einen eindimensionalen Führungsstil handelt. Vielmehr ist es ein Aspekt von Führung, der in Meetings, in Face-to-Face-Gesprächen oder auch in der digitalen Kommunikation gelebt wird. Besonders relevant wird diese Leadership-Ausprägung beispielsweise im Zusammenhang mit hybrider Führung.

Und emotionale Führung ist sehr erfolgreich, wie ich aus eigener Führungserfahrung sagen kann. In meiner damaligen Rolle als Bereichsleiterin wurde mir „vorgehalten“, ich sei sehr mitarbeiterorientiert. Parallel übetrafen mein Team und ich regelmäßig die gemeinsamen Vertriebsziele. Jahre später kam einer der Vorstände auf mich zu und nahm die „Kritik“ zurück, weil mir der Erfolg mehr als recht gab und eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und Bindung im Team vorherrschte.

 

So stärken Sie Ihre emotionale Führungsfähigkeit

Emotionen sind immer da, auch im beruflichen Kontext. Mein Eindruck ist: Emotionen sind grundsätzlich auch erwünscht, gerade von Seiten der Mitarbeitenden. Eine „gute“ Führungskraft nach heutigem Verständnis kann es sich eigentlich nicht mehr erlauben, Gefühle auszublenden.

Es geht selbstverständlich nicht darum, die eigene Impulskontrolle zu vernachlässigen oder aufzugeben. Denn eine gute Führungskraft bringt sowieso eine gute Selbstführung mit und ist somit in der Lage, ihre Emotionen angemessen zu regulieren. Vielmehr steht die Fähigkeit im Spotlight, eigene und fremde Gefühle erkennen und damit umgehen zu können. Wenn diese Fähigkeit trainiert und stark genug ausgeprägt ist, dann wird emotionale Führung zu einer Schlüsselkompetenz für Führungskräfte.

Ein guter Einstieg hierzu kann die entwicklungspositive Potenzialanalyse profilingvalues sein, um von außen ein klareres Bild zu bekommen und die Selbstreflexion anzustoßen. Bei Bedarf kann daran ein Coaching anknüpfen, um beispielsweise Empathie und soziale Kompetenz auszubauen. Es gibt Menschen und Führungskräfte, die drücken ihre Emotionen weg. Andere wiederum sind zu harmonieorientiert und zu nahe an den Menschen. Wie so oft im Leben, kommt es auf die richtige Dosierung an.

Das erfordert Mut und eine gewisse Veränderungsbereitschaft – die eigene Komfortzone zu verlassen und an sich zu arbeiten. Doch unter dem Strich lohnt sich dieses Investment in Sie selbst wie jedes andere auch. Sie gehen bewusster, klarer und gestärkt daraus hervor. Denn Emotionen bewirken noch etwas anderes, ganz Wesentliches: Sie beeinflussen unsere Haltung und unser Verhalten.

Interessiert? Dann …