6 Tipps, wie Sie passende Bewerber finden und identifizieren

Passende Bewerber finden und identifizieren | NADJA HENRICH

Es ist schwer, passende Bewerber zu finden. Der Arbeitsmarkt ist zwar noch bunt, doch die Auswahl an Arbeitskräften wird immer knapper. Das wird sich für die meisten Unternehmen auf absehbare Zeit nicht ändern. Die Situation wird sich allen Prognosen zufolge sogar weiter verschärfen. Mit den Rahmenbedingungen hadern bringt also nichts. Vielmehr geht es darum, die Chancenbrille aufzusetzen und die Rahmenbedingungen neu für sich zu interpretieren. Wie das gehen kann, zeige ich in diesem Praxistipp auf.

Lesedauer: 3 Minuten

Wir erleben einen zunehmenden Fach- bzw. Arbeitskräftemangel, der Unternehmen in fast allen Branchen vor große Herausforderungen stellt. Im Januar 2024 waren knapp 700.000 offene Arbeitsstellen beim Bundesamt für Arbeit gemeldet.

Und diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen und sogar verschärfen. Bis 2030 wird die Anzahl der Erwerbstätigen auf ein neues Tief fallen, da die meisten Baby-Boomer bis dahin in Rente gehen. Die Hintergründe zum Fachkräftemangel und wie Sie ihm begegnen können, habe ich bereits in einem anderen Praxistipp erläutert. Ebenso, wie Sie die Generation Z finden und diese jüngste Arbeitsmarktgruppe binden können.

In diesem Beitrag geht es mir um etwas anderes. Ich möchte Ihnen ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie trotz der verschärften Personalsituation passende Bewerber finden können und diese auch als solche identifizieren können.

 

1. Setzen Sie sich ernsthaft mit Employer Branding auseinander.

Das scheint mittlerweile ein alter Hut zu sein. Vermeintlich zumindest. Denn tatsächlich kursiert zwar das Buzzword „Employer Branding“ in so gut wie jedem Vorstands- und Personalbüro. Doch die Maßnahmen, die daraus abgeleitet werden, unterscheiden sich enorm.

Eine reine Überarbeitung des Außenauftritts (Karriereseite, Stellenausschreibungen, etc.) greift dabei zu kurz. Denn die Positionierung als Arbeitgeber ist mehr als Marketing und Kampagnenmanagement. Sie umfasst die Entwicklung und Ausgestaltung der arbeitgebereigenen Identität und Wertewelt.

Wenn man es ernst damit meint, dann geht es um drei Schlüsselfaktoren:

  • Authentizität (ehrlicher Blick auf die eigenen Stärken und Schwächen)
  • Relevanz (im Abgleich mit Erwartungen der Zielgruppen)
  • Differenzierung (im Abgleich mit Mitbewerbern)

Unter dem Strich geht es um mehr als „nur“ eine Positionierung als attraktiver Arbeitgeber. Employer Branding ist ein langfristig angelegter Prozess der Organisationsentwicklung, der im Idealfall das Interesse potenzieller Mitarbeitender weckt sowie aktuelle Mitarbeitende zum Bleiben veranlasst. Ihr Ziel sollte sein, sich zu einer Art „Sehnsuchts-Arbeitsort“ für Ihre Zielgruppen zu entwickeln. Die einen sollten unbedingt bei Ihnen arbeiten wollen. Die anderen sollten unbedingt bleiben wollen.

 

2. Berücksichtigen Sie beim Auswahlprozess die gesamte Candidate Journey.

Auf einem zunehmend von Bewerbenden dominierten Arbeitsmarkt braucht es ein neues Kunden- und Dienstleistungsverständnis. Im Fokus steht die sogenannte Candidate Journey, also die Erlebnisse und Erfahrungen, die Bewerbende im Kontakt mit Ihrem Unternehmen machen. Das klingt selbstverständlich, ist es in der Unternehmenspraxis aber bei weitem nicht.

Vereinfacht können drei Phasen unterschieden werden. In jeder dieser Phasen haben Sie die Möglichkeit, aktiv auf das Bewerbererlebnis einzuwirken:

  • Vor der Bewerbungsphase – Je besser Sie Ihre Zielgruppen kennen, je treffender Sie diese über die gewählten Ansprachekanäle erreichen und je passgenauer Sie sie inhaltlich und emotional ansprechen, desto wahrscheinlicher erhalten Sie Ihre gewünschten Bewerbungen.
  • Während der Bewerbungsphase – Auch schon vorher, aber besonders in dieser Phase geht es darum, verbindlich, wertschätzend und persönlich zu kommunizieren. Schließlich möchten Sie einen Menschen davon überzeugen, in Ihrem Unternehmen zu arbeiten. Auch Schnelligkeit und Transparenz sind wichtige Aspekte (Wo stehe ich als Bewerbender im Prozess? Wie geht es für mich weiter? Wann kann ich mit einer Rückmeldung/Entscheidung rechnen?)
  • Nach der Bewerbungsphase – Das Kümmern endet nicht etwa, sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Ein strukturierter Pre- und Onboardingprozess ist ebenfalls von größter Bedeutung. Schließlich möchten Sie den oder die Neue schnellstmöglich in Arbeitsprozesse und die Unternehmenskultur einbinden, um die volle Leistung zu entfalten.

 

3. Reflektieren Sie Ihre eigenen Auswahl-Maßstäbe.

Trotz aller Maßnahmen kann es sein, dass zu wenige oder vermeintlich unpassende Bewerbungen bei Ihnen eintrudeln. Doch was bedeutet „unpassend“? Sind Kandidaten wirklich ungeeignet, um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen? Oder passen Sie einfach nicht zu dem Idealbild, das Sie sich selbst von Ihren Kandidaten zeichnen?

Hier tut meiner Erfahrung nach eine gesunde Portion Realismus gut. Denn die berühmte eierlegende Wollmilchsau ist immer seltener zu finden, wird aber laut Stellenbezeichnung immer noch recht häufig gesucht.

Und tatsächlich. So manches Kriterium lässt sich häufig hinterfragen. Hier ein paar Beispiele, um das zu verdeutlichen:

  • Fachliche Eignung – Welche fachlichen Vorkenntnisse sind erforderlich? Welche nur wünschenswert?
  • Arbeitsmodelle – Ist die Position wirklich nur in Vollzeit zu besetzen? Warum nicht auch in Teilzeit? Und wie sieht es mit einem Hybrid-/Remote-Angebot aus?
  • Zielgruppen – Suchen Sie überwiegend junge Bewerberzielgruppen? Was ist z.B. mit älteren Arbeitsmarktteilnehmenden oder mit Frauen, die nach längerer Auszeit eine Möglichkeit zum beruflichen Wiedereinstieg suchen?

Übrigens: Auch aktuelle Mitarbeitende, die die Position (noch) ausüben, sind kein geeigneter Maßstab. Es besteht die Gefahr eines sogenannten Kontrast-Effekts. Das bedeutet, dass positive Eindrücke aufgrund von Vorerfahrungen und Routine zum Vergleich herangezogen werden, die eigentlich nicht vergleichbar sind. Neue Bewerbende werden dadurch unbewusst weniger gut eingeschätzt, als sie eigentlich sind.

 

4. Räumen Sie sich mehr Freiheiten bei der Personalauswahl ein.

Das schließt sich unmittelbar ans Hinterfragen der eigenen Maßstäbe an. Wenn Sie nicht mehr die eierlegende Wollmilchsau suchen, wer ist es dann? Geben Sie Quereinsteigern eine realistische Chance? Prüfen Sie die Möglichkeiten von Upskilling, ggf. auch in Bezug auf Mitarbeitende, die sich bereits im Unternehmen befinden? Berücksichtigen Sie den internen Stellenmarkt in Ihrem Unternehmen genügend? Welche Wünsche und Ziele haben Ihre Mitarbeitenden, auch in Bezug auf alternative Karrierewege?

Sie sehen, es gibt eine Menge Fragen, die Sie sich in diesem Zusammenhang stellen können. Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, sich damit auseinander zu setzen. Denn sie bergen jede Menge ungenutzter Potenziale. Die neuen Anforderungen, die der veränderte Bewerbermarkt an Arbeitgeber stellt, erfordern mehr Freigeist und mehr Mut bei der Personalauswahl.

Und zudem einen Perspektivwechsel …

 

5. Geben Sie dem Cultural Fit mehr Gewicht..

In vielen Auswahlprozessen stehen der berufliche Werdegang und die fachlichen Qualifikationen von Bewerbenden stark im Vordergrund. Doch wie sieht es mit deren Mindset aus? Welche sozialen Fähigkeiten bringen Bewerbende mit? Und vertreten sie Werte, die zur Unternehmenskultur passen?

Gerade dann, wenn Sie sich mehr Freiheiten bei der Personalauswahl einräumen, ist hier ein Perspektivwechsel angebracht. Denn wie ich an anderer Stelle etwas plakativ formuliert habe: „Cultural Fit“ eats „Hard Skills“ for lunch (siehe Praxistipp Cultural Fit und Personalauswahl).

Tatsächlich spielt die kulturelle Passung meiner Erfahrung und Überzeugung nach die Hauptrolle. Oder, um es vereinfacht auf den Punkt zu bringen:

  • Fachliche und kulturelle Eignung von Bewerbern ->Optimal!
  • Kulturelle Eignung, fachliches Ausbaupotenzial -> Interessant!
  • Fachliche Eignung, fehlende kulturelle Passung -> No-go!

 

6. Setzen Sie auf objektive Unterstützung bei der Personalauswahl.

Neue Maßstäbe, mehr Mut und ein Perspektivwechsel in der Personalauswahl werden dazu führen, dass Sie passende Bewerber finden. Vorausgesetzt, dass Sie sie als solche erkennen. Um geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren, gibt es drei Möglichkeiten: Gute Prozesse, geschultes Personal und objektive Unterstützung.

Vor allem auf den dritten Punkt möchte ich hier nochmals zu sprechen kommen. Das hat einen einfachen Grund: Trotz guter Prozesse und geschultem Personal ist der Cultural Fit von Personen in gängigen Auswahlverfahren nur schwer zu ermitteln.

Ich arbeite deshalb seit zwölf Jahren mit der wissenschaftlich fundierten und wertebasierten Potenzialanalyse profilingvalues, um Kundenunternehmen bei der Personalauswahl zu unterstützen. Damit erhalten Sie treffsichere Aussagen über individuelle Eigenschaften und Kompetenzen. Vor allem aber spiegelt das Verfahren im Ergebnis individuelle Werte, Stärken, Erwartungen und Entwicklungsfelder.

 

Fazit

Passende Bewerber finden? Ja, das geht. Sie müssen sich als Unternehmen allerdings flexibel zeigen, die veränderten Rahmenbedingungen akzeptieren und sie zum eigenen Vorteil nutzen.  Die genannten Tipps sind vielleicht nicht für jedes Berufsbild umzusetzen. Wenn Sie einen Chirurgen oder eine Chirurgin für eine Klinik suchen, dann werden Sie keine Möglichkeiten haben, auf Quereinsteiger zurückzugreifen. Doch viele Positionen in Wirtschaftsunternehmen können etwas freier besetzt werden, da diese Art der Spezialisierung nicht zwingend notwendig ist.

Der Arbeitsmarkt ist eng, doch er hält noch viele ungenutzte Potenziale bereit. Vielleicht bedarf es mehr Aufwand bei der Auswahl und der Personalentwicklung. Doch dieses Investment lohnt sich. Denn langfristige Vakanzen oder falsche Personalentscheidungen sind unter dem Strich deutlich teurer.

Bei der Personalauswahl geht es darum, gute Personalentscheidungen zu treffen. Besonders hilfreich dabei: Objektive Entscheidungshelfer, die verlässliche Einschätzungen zulassen und die Gefahr von Fehlbesetzungen drastisch senken.

Wichtig sind die Betrachtung und Berücksichtigung der gesamten Candidate Journey. Es geht um positive Erlebnisse vom ersten Kontaktpunkt bis zur Integration im Unternehmen. Sie sorgen dafür, dass Mitarbeitende produktiv sind und bleiben wollen. Und Loyalität dem eigenen Unternehmen gegenüber ist das beste Rezept gegen den Fach- und Arbeitskräftemangel.

Gute Personalentscheidungen zu treffen, zahlt sich in jeder Hinsicht aus. Und wenn Sie dazu noch offene Fragen haben oder näheres über die Möglichkeiten der wertebasierten Potenzialanalyse erfahren möchte, dann …