Nadja Henrich – NH Beratung und Coaching

Menschen, Teams und Organisationen wirksam in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen begleiten.

NEW WORK – ZWISCHEN TREND UND TRADITION

EIN BERICHT VOM 2. FACHKRÄFTEKONGRESS ALLGÄU

Sie nehmen es wahrscheinlich auch wahr: Unsere Arbeitswelt verändert sich zunehmend. Ausschlaggebend sind Digitalisierung und Globalisierung. Experten sprechen von einem grundlegenden und strukturellen Wandel unserer Arbeitskultur – der sogenannten New Work.

New Work – zwischen Trend und Tradition stand im Mittelpunkt des zweiten Fachkräftekongresses Allgäu am 18. September 2018 in Kempten. Im Rahmen der deutschlandweiten Fachkräftewoche unter dem Motto „Menschen in Arbeit – Fachkräfte in den Regionen“ wurde die Veranstaltung von der IHK Schwaben in Kooperation mit der Allgäu GmbH organisiert. Diskutiert wurde, was ist unter New Work zu verstehen und welche Konsequenzen der Megatrend für kleine und mittlere Unternehmen mit sich bringt. Angereichert wurde die Diskussion mit New Work-Ansätzen von Allgäuer Unternehmen.

Inga Höltmann, New Work-Expertin, Journalistin und Bloggerin, führte die Gäste in das Thema ein. New Work ist keine Modeerscheinung. Wir erfahren einen fundamentalen Wandel in der Arbeitswelt, der in eine weitergehende Entwicklung einzuordnen ist. Geprägt wurde der Begriff New Work vom austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann, der sagt: „Die zentralen Werte des Konzepts von New Work sind die Selbstständigkeit, die Freiheit und die Teilhabe an der Gemeinschaft. New Work soll neue Wege von Freiräumen für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bieten und somit etwas wirklich Wesentliches und Wichtiges zum Arbeitsmarkt beitragen. Auf diese Weise wird echte “Handlungsfreiheit“ ermöglicht.“[1]Bergmann sieht in der „Alten Arbeit“ 40 Stunden „Job Work“ sowie klassische Lohnarbeit, wohingegen es bei der „Neuen Arbeit“ u.a. um „Arbeit, die man wirklich tun möchte“ geht. Bergmanns Idee in der Evolution der Arbeit ist mit der Frage verbunden: Warum machen wir das, was wir tun?

Im Zuge dessen beschäftigt sich New Work mit Aspekten wie:

Menschenbild

  • Welche Rolle nehmen meine Mitarbeiter ein?
  • Wie viel Raum zur Entwicklung und Mitgestaltung haben sie?

Führung

  • Wie organisieren wir uns? Wie führen wir?
  • Und wie tauschen wir uns darüber aus?

Tools

  • Wie arbeiten wir miteinander?
  • Und womit? Sind wir bereit auszuprobieren?

Als zentrale Botschaft vermittelte Höltmann ihren Zuhörern: New Work ist eine Einstellung – Digitalisierung ist eine Kommunikationsaufgabe. Auch das Anwerben und Halten von Fachkräften ist im Kern eine Kommunikationsaufgabe. New Work versteht Höltmann zudem als eine Reise. Als Unternehmen gilt es das eigene Ziel zu definieren und nicht eins zu kopieren. Wichtig ist, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter mitnehmen und die Organisation in den Zustand des konstanten Lernens über die Innovationsgrenze hinweg geht. Das bedeutet auch, alle lernen jeden Tag und es gibt keine Monotonie.

Im Anschluss an Höltmanns Beitrag ging es für die Teilnehmer in die Praxis:
Peter Leo Dobler, Gesellschafter der Dobler GmbH & Co. KG Bauunternehmung, erzählte, dass für ihr Haus Großraumbüros und statische Arbeitsplätze nicht mehr tragbar sind. Unter Einbindung der Mitarbeiter haben sie sich die Frage gestellt: Wie kann die Bürowelt von morgen aussehen? Bewusst war ihnen, dass die Anforderungen der Mitarbeiter angestiegen waren und dem wollten sie Rechnung tragen. Arbeitsabläufe als auch der Kommunikationsbedarf wurden vorab analysiert und bewertet. Die Dobler Bauunternehmung hat ihre New Work–Ansätze in einem hochflexiblem Gebäudesystem in Modulbauweise und mit rückbaubaren Elementen realisiert. Ihre Raumlösungen beinhalten z. B. work kitchen und team working boxen. Telefonboxen oder auch „thinktanks“ bieten persönliche Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten. Höherverstellbare Schreibtische, Laptops und Handys sind für alle Standard. Aufgrund der Vorfertigungstechnik haben sie eine kurze, gut planbare Bauzeit, ebenso können sie bei Bedarf die von ihnen gewählte Bauweise nachträglich verändern.

Unterhaltsam und überzeugend präsentierte Christina Pirker, Referentin Marketing und Kommunikation Region Allgäu von der Vinzenz von Paul gGmbH, wie sich New Work in ihrem Unternehmen für Soziale Dienste und Einrichtungen wiederfindet. Ganz wesentlich, „unser Job hat Sinn.“ Ihre Pflegestationen haben sie 2011 auf familiäre Wohngruppen umgestellt. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage: Wie mache ich aus den Einzelnen ein Team? Hierzu haben sie neben Teamentwicklung und Teamentfaltung in andere Branchen geblickt und sich Input geholt. Wichtiger Bestandteil von New Work ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess. Hierzu gehören auch die Themenkarten, die in jeder Wohngruppe und in der Verwaltung aushängen. Jedem, dem eine Verbesserung einfällt, notiert diese auf der Themenkarte. Anschließend geht die Karte in die Teamsitzung der Wohngruppe oder des Verwaltungsbereiches. Dieses Meeting findet unter wechselnder Moderation und in der Regel ohne Beisein der Leitung statt. Aufgabe ist es, die Anregung aufzunehmen und konkret weiterzubehandeln, auch in Bezug auf wer was macht und bis wann. Die Qualifizierungsmatrix in jeder Wohngruppe zählt zu einem weiteren New Work–Ansatz der Vinzenz von Paul gGmbH. Sie beschäftigt sich damit, wo noch Weiterbildungsbedarf besteht. Es geht nicht darum, „du kannst etwas nicht.“ Im Ergebnis zeigt sich: Die Mitarbeiter geben viel Gas und die Leitungen müssen lernen loszulassen. Die Leitungen stellen dabei fest: „Endlich komme ich zudem was ich früher nicht geschafft habe.“

Beim anschließenden Ausklang bei Kaffee und Kuchen waren sich die Teilnehmer einig, New Work ist ein prägendes Zeichen unserer Zeit. Und jeder hat an diesem Nachmittag etwas mitnehmen können. Deutlich wurde wieder mal, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter aktiv und ehrlich einbinden, dann erzeugt dies viel Motivation. Zudem wird eine breite Akzeptanz für Veränderungen geschaffen, um als Organisation attraktiv und zukunftsfähig zu bleiben.

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