Haltung, Klarheit, Präsenz – Was Führungskompetenz mit Yoga gemeinsam hat
Führungskompetenz? Klar, das wünschen sich alle, die in einer leitenden Funktion arbeiten. Das ist schließlich das Fundament für ein wirksames Ausfüllen der eigenen Rolle. Doch was macht gute Führung heute aus? In einer Arbeitswelt, die sich ständig wandelt, in der Komplexität und Druck steigen, sehnen sich Menschen nach Orientierung. Führungskräfte haben hier tatsächlich etwas mit Yogalehrer:innen gemeinsam: Für sie geht es darum, Menschen durch Unsicherheit, Überforderung und innere Widerstände zu führen. Die Schlüsselqualitäten dazu sind Haltung, Klarheit und Präsenz. In diesem Beitrag erläutere ich, wie Sie diese Qualitäten neu denken und bewusst kultivieren können.
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Stellen Sie sich einen Raum voller Menschen vor. Einige sind angespannt, andere erschöpft. In jedem Fall sehnen sie sich nach neuer Energie. Dann betritt eine Person den Raum – mit ruhigem Schritt, aufrechter Haltung, einem Lächeln, das nicht nur die Lippen, sondern auch das Herz erreicht. Keine große Begrüßungsrede. Nur ein ruhig gesprochener Satz. Vielleicht auch nur ein Wort.
So oder ähnlich sieht ein typischer Beginn einer Yogastunde aus. Keine Sorge, ich möchte Sie hier keineswegs für irgendwelche meditativen Techniken begeistern. Ob Sie das aktiv für sich nutzen oder nicht, ist zweitrangig. Mir geht es vielmehr darum, anhand des Vergleichs zu Yoga drei fundamentale Führungskompetenzen zu verdeutlichen. Denn schon in diesen ersten, geschilderten Sekunden stecken mehr Leadership-Learnings als in mancher strategischen PowerPoint-Präsentation.
Haltung: Innere Stabilität statt äußerer Status
In der Yogapraxis bedeutet „Haltung“ nicht nur, wie man steht, sondern, wie man ist. Es geht um innere Ausrichtung, um Balance und Authentizität. Yogalehrer:innen zeigen Haltung nicht durch Macht, sondern durch Menschlichkeit.
Sie führen Menschen durch Unsicherheit, durch körperliche und emotionale Herausforderungen – mit einer Haltung, die Vertrauen schafft: ruhig, verlässlich, zugewandt.
>> Praxistipps für Führungskräfte:
Viele Führungskräfte glauben, sie müssten ständig stark aktiv Einfluss nehmen, jede Antwort wissen und dürften nie ins Wanken kommen. Doch wahre Stärke zeigt sich anders:
- Selbstführung geht vor Mitarbeiterführung – Eine Führungskraft, die sich selbst kennt, mit all ihren Grenzen, Bedürfnisse und Werten, kann anderen Orientierung geben, ohne sich selbst zu verlieren.
- Authentizität statt Maske – Yogalehrer:innen verstecken sich nicht hinter Titeln. Sie begegnen ihren Kursteilnehmenden auf Augenhöhe. Genau das schafft Verbindung. Auch Sie als Führungskraft dürfen menschlich und dadurch nahbar sein.
- Souveränität in der Unsicherheit – Gerade in Veränderungsprozessen ist innere Stabilität entscheidend. Wenn Sie Ihre eigene innere Haltung kennen, bleiben Sie handlungsfähig, auch wenn außen alles wankt.
>> Mini-Reflexion:
- Wie ist Ihre innere Haltung, wenn Sie Ihrem Team begegnen?
- Was strahlen Sie aus – unbewusst und bewusst?
Klarheit: Kommunikation, die ankommt
Yogalehrer:innen gelingt es, mit wenigen Worten viel zu bewirken. Sie haben in der Regel nur eine Stunde Zeit, um ihre Botschaften an ihre Kursteilnehmer weiterzugeben. Wenn sich diese Menschen bewegen und ggf. sogar ihre Augen geschlossen halten, braucht es Sprache, die führt. Keine Missverständnisse, kein Reden um den heißen Brei. Stattdessen klare, einfache, bewusst gesetzte Worte.
Ein Yogalehrer sagt nicht: „Vielleicht könnten wir mal schauen, ob wir …“, sondern: „Hebe dein rechtes Bein, atme ein“.
>> Praxistipps für Führungskräfte:
- Auf wertschätzende Weise Klartext reden – Wenn Sie klar kommunizieren, schaffen Sie Vertrauen. Unklare Ansagen führen zu Verunsicherung, Rückfragen, Reibungsverlust.
- Orientierung schaffen – Was beim Yoga gilt, gilt auch im Unternehmenskontext: Klare Worte sind wie ein Kompass. Sie geben Richtung, Halt und Fokus.
- Nicht nur sprechen, auch verstehen lassen – Gute Kommunikation heißt nicht nur senden, sondern überprüfen, ob das Gemeinte beim Gegenüber ankommt.
>> Mini-Reflexion:
- Wie oft hinterfragen Sie, ob Ihre Botschaft tatsächlich angekommen ist?
- Wie oft beginnen Sie ein Teammeeting mit dem Fokus auf die anderen?
Präsenz: Der Schlüssel zu einer echten Verbindung
Präsenz ist mehr als nur körperlich anwesend sein. Es bedeutet, mit der Aufmerksamkeit wirklich da zu sein – bei den anderen im Raum, aber vor allem auch bei sich selbst. In einer Yogastunde spürt man sofort, ob der Lehrer bei sich ist – oder ob seine Gedanken woanders kreisen.
Gute Yogalehrer:innen schaffen mit ihrer besonderen Präsenz einen Raum, in dem Entwicklung möglich wird. Sie sehen, was gebraucht wird. Sie reagieren, ohne zu dominieren. Diese Kunst der feinen Führung ist hochwirksam – auch in Unternehmen.
>> Praxistipps für Führungskräfte:
- Echte Verbindung braucht echtes Dasein – Wenn Sie während eines Gesprächs aufs Handy schauen, senden Sie ein klares Signal: „Du bist gerade nicht meine oberste Priorität.“ Präsenz beginnt mit Blickkontakt, Stille, echtem Interesse.
- Situative Führung statt starrer Pläne – Als Führungskraft sollten Sie in der Lage sein, flexibel auf die Bedarfe Ihres Gegenübers zu reagieren.
- Resonanzfähigkeit entwickeln – Präsente Führung bedeutet, nicht nur zu führen, sondern sich auch führen zu lassen – von der Situation, vom Feedback, von der Dynamik im Team.
>> Mini-Reflexion:
- Seien Sie ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal bewusst in einem Gespräch darauf geachtet, dass Sie präsent sind?
- Haben Sie Ihr Mobilfunkgerät in Gesprächen neben sich auf dem Tisch liegen? Lassen Sie sich davon ablenken, wenn es zu vibrieren oder leuchten beginnt?
Impulse für mehr Führungskompetenz
Die große Stärke von Yogalehrer:innen liegt in der Verbindung von innerer Klarheit und äußerer Wirkung. Und genau das brauchen heutige Führungskräfte mehr denn je: nicht noch mehr Tools, sondern mehr Bewusstsein.
Diese neue Qualität von Führung ist leise, aber kraftvoll. Sie braucht kein Mikrofon, keine Statussymbole, keine Kontrollmechanismen. Sie wirkt durch Persönlichkeit, Haltung und Resonanz.
Die besten Ideen nützen wenig, wenn sie nicht im Alltag gelebt werden. Deshalb hier fünf konkrete Impulse, die Sie direkt in Ihrem Führungsalltag umsetzen können:
- Starten Sie bewusst in den Tag – Beginnen Sie den Tag z. B. mit einer Atemübung oder einer stillen Reflexion. Denn wenn Sie den Tag konzentriert beginnen, führen Sie bewusster.
- Setzen Sie auf klare und gleichzeitig empathische Kommunikation – Achten Sie beispielsweise auf Ihre Formulierungen in Meetings oder Telefonaten und hinterfragen Sie, ob sie auch zuhören, statt nur zu senden.
- Schenken Sie Präsenz – Denn genau das ist es für Ihr Gegenüber, wenn Sie das Smartphone in der Tasche lassen, zuhören und nachfragen, echtes Interesse zeigen.
- Reflektieren Sie Ihre Haltung – Und zwar regelmäßig und vor allem ehrlich zu sich selbst. Wie war meine innere Haltung in den letzten Tagen? Wie? habe ich mich selbst geführt – wo habe ich mich treiben lassen? Was möchte ich in der nächsten Woche bewusst anders machen?
- Gestalten Sie nicht nur Prozesse – Was dann? Interaktive Räume und Beziehungen. Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden ganz direkt: Was braucht ihr von mir, um euch in eurer Arbeit sicher, gesehen und wirksam zu fühlen?
Fazit: Mehr Führungskompetenz durch eine „leise“ Form der Führung
Führung im 21. Jahrhundert braucht ein neues Fundament. In Zeiten ständiger Veränderung, zunehmender Komplexität und emotionaler Erschöpfung reicht es nicht mehr aus, durch Strukturen und Strategien zu führen (siehe auch: Herausforderungen der VUKA-Welt). Menschen brauchen etwas Tieferes: Orientierung, Vertrauen, Verbindung.
Yogalehrer:innen verkörpern genau diese Qualitäten – oft unbemerkt, aber hochwirksam. Sie führen durch Präsenz, nicht durch Druck. Durch Klarheit, nicht durch Lautstärke (siehe auch: Mehr Rollenklarheit, bessere Führungskompetenz). Durch Haltung, nicht durch Hierarchie.
Diese Form von Führung wirkt nicht spektakulär, aber sie hinterlässt bleibenden Eindruck und Spuren. Denn Menschen erinnern sich nicht an PowerPoint-Folien. Sie erinnern sich an das Gefühl, gesehen und gehört zu werden.
Wenn Führungskräfte beginnen, diese stille Kraft in sich zu kultivieren, entsteht ein neuer Führungsstil: weniger kontrollierend, dafür vertrauensvoller. Weniger reaktiv, dafür bewusster. Weniger an Ergebnissen orientiert, dafür mehr auf Empowerment ausgerichtet.
Meiner Überzeugung und Erfahrung nach ist das keine romantische Utopie. Denn im Rahmen meiner Coachings und Begleitungen habe ich immer wieder die folgenden Erfahrungen gemacht:
- Wer sich selbst führt, kann andere stärken.
- Wer präsent ist, schenkt Sicherheit.
- Und wer Haltung zeigt, inspiriert Veränderung – von innen heraus.
Auch Sie können Haltung, Klarheit und Präsenz in Ihrer Führungspraxis stärken. Ein paar Anregungen habe ich Ihnen dazu nun mit an die Hand gegeben. Wenn Sie sich weiteren Input wünschen oder Unterstützung bei der Ausgestaltung Ihrer Führungskompetenzen, dann …
