Warum gutes Onboarding von größter Bedeutung ist

Warum gutes Onboarding von größter Bedeutung ist | NADJA HENRICH

Es wird nicht selten vernachlässigt und spielt doch eine außerordentlich wichtige Rolle für das Recruiting – gutes Onboarding. Denn die ersten Tage, Wochen und Monate der Zusammenarbeit entscheiden darüber, wie gut Unternehmen und neue Mitarbeitende harmonieren. Eine erfolgreiche Suche und Einstellung bedeuten also nicht, dass die Stellenbesetzung abgeschlossen ist. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen nahebringen, auf was es bei der Integration von neuen Mitarbeitenden ankommt und wie bedeutsam ein systematischer Prozess ist.

Lesedauer: 3 Minuten

Wenn eine Stellenbesetzung nicht glückt, ist das für Unternehmen stets mit hohen Kosten verbunden. Nicht nur freibleibende Positionen bedeuten Produktivitätsverluste. Schlechtes Onboarding verdoppelt die Wahrscheinlichkeit, dass neue Mitarbeitende frühzeitig kündigen. Wie Studien gezeigt haben, würde jeder fünfte Neuankömmling schon nach wenigen Tagen den neuen Arbeitgeber nicht mehr weiterempfehlen. Entsprechend hoch ist die Fluktuation in der Anfangszeit, womit die Mitarbeitersuche für Unternehmen von vorne beginnt. Noch schlimmer ist, wenn unzufriedene „Neue“ im Unternehmen bleiben und dauerhaft mit angezogener Handbremse arbeiten.

Doch woran liegt das? Darauf kann ich gleich mehrere Antworten geben:

  • Führungskräfte kümmern sich oftmals zu wenig um die Neuen. Sobald die Bewerbungsgespräche abgeschlossen sind, ziehen sie sich aus ihrer Verantwortung zurück, da alles Weitere vermeintlich von allein läuft.
  • Der HR-Bereich nimmt häufig eine zu passive Rolle bei der Integration neuer Mitarbeitender ein. Ihm obliegt es, sich um die richtige „Verzahnung“ zu kümmern und – wenn nötig – diese auch zu kontrollieren sowie nachzuhalten.
  • Manchmal können neue Mitarbeitende die versprochene Rolle nicht im gewünschten Maße ausfüllen. Insbesondere bei Neu-Führungskräften zeigt sich das. Wenn eine Führungsaufgabe jedoch nicht gelebt wird, muss schnellstmöglich entgegengewirkt werden, damit der oder die Betroffene nicht zu einer Marionette verkommt.
  • Recht häufig findet zu wenig Integration im Team und in der Organisation Daher ist es elementar, dass Führungskraft, HR-Bereich sowie Pate oder Mentor (siehe weiter unten) an einem Strang ziehen.

Was hier schon deutlich wird: Der Start im neuen Unternehmen nimmt großen Einfluss auf die weitere Zusammenarbeit zwischen neuen Mitarbeitern und Unternehmen. Leider stelle ich bei meinen Coachingbegleitungen immer wieder fest, dass entweder Prozesse zu wenig standardisiert sind oder Rollenunklarheiten vorherrschen.

 

Authentizität schafft die Basis

Allen Beteiligten am Recruitingprozess ist in der Regel klar, dass sie ein bestimmtes Bild vom Unternehmen erzeugen. Und dieses Bild sollte beim Bewerber auch nach Vertragsabschluss noch Bestand haben. Denn es schafft eine Erwartungshaltung. Ein Grund für Kündigungen in den ersten Arbeitsmonaten oder einen Leistungsabfall ist genau darin begründet: Dass die Erwartungen im späteren Arbeitsalltag nicht bestätigt werden.

Ein mittel- und langfristig erfolgreicher Recruitingprozess fokussiert deshalb auch das Ankommen im Unternehmen. Wie in der Bewerbungsphase, so rückt auch hier die offene und ehrliche Kommunikation mit Kandidaten in den Blickpunkt. Es ist niemandem damit geholfen, wenn Versprechungen gemacht werden, die das Unternehmen (noch) nicht einhalten kann. Dabei spielt die Darstellung der Arbeitgebermarke im Sinne eines authentischen Employer-Branding-Prozesse ebenso eine gewichtige Rolle, wie ehrliche Aussagen darüber, was Stärken und Entwicklungsfelder des eigenen Unternehmens sind.

 

Gutes Onboarding verfolgt klare Ziele

Kandidat*innen entscheiden sich bewusst dafür, bei einem bestimmten Unternehmen zu arbeiten. Vorausgegangen ist also ein guter Eindruck, den ein Onboardingprozess bestätigen oder gar verstärken kann. Unter Onboarding verstehe ich in diesem Zusammenhang alle Aktivitäten eines Unternehmens in Richtung einer systematischen und strukturierten Integration von neuen Mitarbeitenden oder Führungskräften im Unternehmen.

Die Ziele des Onboardingprozesses lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Fachlich soll der oder die Neue schnellstmöglich arbeitsfähig sein, also sicher und effizient die eigenen Aufgaben erledigen und damit seinen Teil zum Unternehmenserfolg beitragen.
  • Sozial muss eine Integration ins Team stattfinden, und auch darüber hinaus sollen tragfähige Beziehungen aufgebaut werden.
  • Identitär geht es darum, dass der oder die Neue die Unternehmenskultur kennenlernt, verinnerlicht und lebt.
  • Persönlich soll das Unternehmen möglichst viel Zeit für neue Teammitglieder aufbringen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen.

Einfach zusammengefasst geht es für Unternehmen darum, neue Mitarbeitende dauerhaft glücklich und leistungsfähig zu machen. Dann sinkt die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Kündigung. Gleichzeitig erhöhen sich die Chancen auf eine längere Unternehmenszugehörigkeit, auf mehr Motivation, mehr Loyalität und mehr Zufriedenheit.

 

Unternehmen in der Bringschuld

Am Onboardingprozess sind mehrere Unternehmensbereiche beteiligt. Neben dem Neuling und dem Team, in das er oder sie integriert werden soll, zählen die direkte Führungskraft, der HR-Bereich, ein Pate, Kollegen aus anderen Bereichen sowie weitere Führungskräfte bis hin zu Geschäftsleitung dazu.

Man kann verschieden Onboardingphasen und damit verbundene Aufgaben unterscheiden:

  • Vorbereitungsphase – Damit ist die Zeitspanne zwischen der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags bis zum ersten Arbeitstag gemeint. Bereits hier können erste Gespräche mit Führungskraft und Team stattfinden. Dem neuen Mitarbeiter sollten zudem wichtige Informationen ggf. bis hin zum Einarbeitungsplan übermittelt werden. Insbesondere bei einem anstehenden Umzug in eine andere Stadt oder ein anderes Bundesland freuen sich neue Mitarbeiter über Unterstützung bei der Wohnungssuche, beim Umzug, bei der Organisation der Kinderbetreuung und des Alltags und vieles mehr. Es geht darum eine bestmögliche Starthilfe zu geben. Aus meiner Erfahrung „müssen“ Unternehmen an dieser Stelle deutlich einfallsreicher sein und sich von Mitbewerbern abheben.
  • Willkommensphase – Ist der erste Arbeitstag gekommen, sind verschiedene Instrumente geeignet, um den neuen Mitarbeiter professionell und wertschätzend willkommen zu heißen. Üblich sind etwa eine Einführungsveranstaltung mit anschließender Betriebsführung, die Vorstellung des Arbeitsplatzes samt fertig eingerichteter und funktionierender Infrastruktur, Gespräche mit allen Teammitgliedern und der Führungskraft. Empfehlenswert ist es auch, wenn sich alle Neuankömmlinge kennenlernen und von der Geschäftsleitung und weiteren Führungskräften zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Personalabteilung die Neuen in den ersten ein bis zwei Wochen auf einen gemeinsamen Abend einlädt, beispielsweise in ein Restaurant in der Stadt, wo sich der Firmensitz befindet.
  • Orientierungsphase – Für die ersten Tage und Wochen ist ein systematischer Prozess dringend empfehlenswert. Dieser wird in der Regel in einem individuellen Einarbeitungsplan festgehalten und sieht etwa das Durchlaufen von anderen Abteilungen und Bereichen vor. Wichtig sind die Abteilungen und Bereiche, die eine Schnittstelle zu der Abteilung des oder der Neuen darstellen. In jedem Fall sollte sich die direkte Führungskraft viel Zeit für den neuen Mitarbeiter nehmen. Auch zahlt es sich aus, wenn ihm oder ihr eine Vertrauensperson, also etwa ein Pate oder Mentor, zur Seite gestellt wird, der mit Rat und Tat unterstützen kann.
  • Integrationsphase – Neue Mitarbeitende benötigen von Beginn an festgelegte Ziele und Klarheit darüber, was er oder sie nach einer Woche, nach vier bis acht Wochen oder nach vier bis sechs Monaten können soll. Um dies umzusetzen, braucht es gemeinsame Reflexionsgespräche. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich, diese schon frühzeitig beginnen und regelmäßig aufeinander folgen zu lassen (beispielsweise nach zwei, vier und sechs Monaten). Teilnehmende sind der oder die Neue, die Führungskraft sowie Ansprechpartner aus HR. Diese Gespräche (in manchen Unternehmen Probezeitgespräche genannt) ermöglichen allen Beteiligten, frühzeitig gegenzusteuern, wenn es nicht planmäßig läuft.

 

Auch neue Mitarbeitende können auf den Onboardingprozess einwirken

Jeder neue Mitarbeitende ist auch für sich selbst verantwortlich. Deshalb kann ein Unternehmen die Bereitschaft voraussetzen, dass neue Teammitglieder ihren Beitrag zu einem guten Onboarding leisten. Dazu zählt etwa eine aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle, eine gesunde Portion Neugier auf die Herausforderung, hohes Engagement und Offenheit gegenüber neuen Kolleg*innen, Führungskräften und der Organisation. Schließlich gibt es viel zu fragen und zu hinterfragen. Die wichtigsten Utensilien für neue Mitarbeitende sind zu Beginn ihrer Tätigkeit deshalb eigentlich Stift und Zettel (bzw. die Memofunktion im Smartphone). Was selbstverständlich klingt, ist es in der Praxis jedoch nicht unbedingt …

Bei einem gelungenen Onboardingprozess geht es also viel um Kommunikation, die üblicherweise in Präsenz stattfindet. Insofern waren und sind die Umstände rund um die Coronapandemie nicht ideal für eine gelungene Einarbeitung. Doch gutes Onboarding ist auch digital möglich, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Insbesondere von Seiten der Führungskräfte muss deutlich mehr und individueller kommuniziert werden (siehe auch Ratgeberbeitrag „Wie Führen auf Distanz gelingt“). Auch der Personalbereich ist mehr gefordert, einen systematischen Prozess aufzusetzen. Und nicht zuletzt wird die technische Ausrüstung und Einrichtung von Home-Arbeitsplätzen von größter Bedeutung.

Die kritische Zeit der Einarbeitung kann mit viel Bewusstheit und Einsatz oder Engagement positiv gestaltet werden. Wenn von Beginn an Klarheit über die eigene Rolle vorherrscht und wenn anfängliche Erwartungen bestätigt werden, dann können neue Mitarbeiter*innen glücklich werden und ihre Leistung bringen. Dieses Verständnis müssen sie aber erstmal aufbringen, was sowohl Vertrauen und Verbindlichkeit sowie Kompetenz und Standing voraussetzt. Greifen alle Rädchen ineinander, profitiert das gesamte Unternehmen davon. Gutes Onboarding wird damit zu einem Schlüsselprozess im Retention Management, um gute Mitarbeiter mittel- und langfristig ans Unternehmen zu binden.

Sollten Sie Fragen zum Thema Personalauswahl oder zum Onboarding haben, dann melden Sie sich bei mir. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, dem Link weiter unten zu folgen und mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich komme dann zeitnah auf Sie zu.