Nadja Henrich – NH Beratung und Coaching

Menschen, Teams und Organisationen wirksam in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen begleiten.

BASICS DER UNTERNEHMENSKULTUR

UND WIE SIE IN DER PRAXIS GE- UND ERLEBT WERDEN

Unternehmenskultur (er-)leben Mitarbeiter tagtäglich. Wie es uns die Erfahrungen einer 43-jährigen Assistentin der Geschäftsleitung aufzeigen, erleben neue Mitarbeiter die Unternehmenskultur bewusst und intensiv gleich während ihren allerersten Arbeitstagen. Aber der Reihe nach: Nach 6 Jahren Betriebszugehörigkeit verspürte die besagte Dame den Wunsch, sich eine neue berufliche Herausforderung zu suchen, weil sie sich in ihrer aktuellen Position u.a. unterfordert fühlte. Für eine neue berufliche Herausforderung war sie auch bereit, umzuziehen. Sie bewarb sich, wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen, erhielt die Zusage und trat die neue Stelle an. Im Bewerbungsgespräch präsentierte sich das Unternehmen sehr positiv. Man teilte ihr mit, dass die bisherige Assistentin der Geschäftsleitung überfordert gewesen und somit die Neubesetzung erforderlich sei. Bereits in der ersten Arbeitswoche stellte sich heraus, dass primär private und zum Teil banale Tätigkeiten für den Geschäftsführer zum Aufgabenspektrum der Assistentin gehören. Im Bewerbungsgespräch war davon nur in Ausnahmefällen die Rede.

Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie schnell das Ziel, „eine gute und motivierende Aufgabe“ in Zukunft wahrzunehmen, zum Scheitern verurteilt war – und das nach ein paar wenigen Tagen. Neben der Enttäuschung entsteht auch für die zukünftige Jobsuche viel Unsicherheit. Das ist kein Einzelfall. Menschen berichten, dass man ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt oder sich das Unternehmen in einem anderen Licht präsentiert hat. Wenn wir auf der anderen Seite hören, Unternehmen fällt es zunehmend schwerer, gute Fachkräfte zu finden und zu binden, dann läuft hier wirklich etwas schief. Das Wissen und Können, zufriedene und qualifizierte Mitarbeiter zu halten und neue gute Bewerber zu bekommen, liegt zu einem großen Teil in der Organisation selbst.

In meiner Arbeit bin ich in vielen Unternehmen unterwegs und es dreht sich immer wieder um diese Aspekte:

  • Wertschätzung
  • Verantwortungsvolle Aufgabe
  • Vertrauen
  • Verlässlichkeit
  • Fehlerkultur

Laut Roger Fisher und Daniel Shapiro wird Wertschätzung erfüllt, „wenn Gedanken, Gefühle, Leistung, Fähigkeiten und Handlungen wahrgenommen und geschätzt werden.“[1] Das fängt damit an, dass vereinzelt nicht einmal gegrüßt wird. Mit einem „Vielen Dank“ wird gespart und ebenso damit, dem anderen Aufmerksamkeit zu schenken. Was denken Sie sich, wenn Ihr Kollege Zeit für ein kurzfristiges Gespräch bejaht und seine Zeit dann so aussieht, dass er parallel an seiner Präsentation arbeitet. Menschen wollen gesehen werden und zwar jeder von uns. Die Assistentin machte die Erfahrung, dass der Geschäftsführer morgens wie abends wortlos kam und ging, er ignorierte sie. Ihre Integration unterstützte er in keinem Moment.

Zentraler Antrieb, um sich mit seiner Aufgabe zu identifizieren, ist, eine verantwortungsvolle Aufgabe inne zu haben. Verantwortung übernehmen zu können, versetzt Menschen in Aktion, sie werden sich für ihren Verantwortungsbereich stark machen. Verantwortung übernehmen zu dürfen, signalisiert, dass man vertrauenswürdig ist. Es gibt einem zudem die Möglichkeit der Herausforderung, Weiterentwicklung und Selbstverwirklichung. Das setzt jedoch voraus, dass man Verantwortung seitens Führungskraft, Kollegen und Organisation wahrnehmen darf. Selbstverständlich ist das nicht alles. Überdies wünschen sich Mitarbeiter, um ihren Beitrag am Unternehmenserfolg zu erfahren. Der Assistentin wurde sehr schnell bewusst, dass ihre neue Aufgabe nichts mit einer verantwortungsvollen und sinnstiftenden Tätigkeit zu tun hat.

Eine gute Unternehmenskultur wird von einem vertrauensvollen Miteinander geprägt. Natürlich muss Vertrauen wachsen, aber es bedarf eines Grundvertrauens, das wir dem anderen entgegenbringen und das sich aufgrund von positiven Erfahrungen aufbaut und wächst. Die Assistentin erlebte ein Umfeld, in dem sich Kollegen im Gespräch auf dem Flur verängstigt umdrehten. Stellte die Assistentin Rückfragen zu Aufgaben, die nur dürftig delegiert wurden, waren diese vom Geschäftsführer nicht geduldet. Nähere Ausführungen zu dem Punkt Vertrauen finden Sie in meinem Newsletter Herbst 2019.

Verlässlichkeit ist ebenso kein Selbstläufer. Wie oft passiert es Mitarbeitern und Führungskräften, dass sie mit ihrem Anliegen im Regen stehen und keine Antwort bekommen. Dilsâd Babayigit, Geschäftsführerin von ageneo, brachte es im Interview auf den Punkt: „…, wenn Verlässlichkeit nicht gegeben ist, dann ist alles andere für die Tonne.“

Unternehmen gehen ganz unterschiedlich mit Fehlern um. In manchen finden sie Fingerpointing, indem man sich gegenseitig anklagt. Dieses Verhalten ist ein „wunderbarer“ Nährboden für Misstrauen. Andere sehen Fehler als Chance und Möglichkeit sich zu verbessern. Was lernen wir daraus? Was können wir in Zukunft besser machen? Mitarbeitende werden versuchen, sich einzubringen und ihr Bestes zu geben, dass dies in Zukunft nicht mehr passiert. Ein Mitarbeiter, dem ein Fehler unterläuft, wird es auch leichter fallen, seinen Fehler aktiv anzusprechen.

Natürlich gibt es noch weitere Aspekte, die die Kultur eines Unternehmens prägen.

Betonen möchte ich noch, wie wichtig die Unternehmenslenker sind. Welche Bedeutung geben sie der Kultur? Unser Beispiel verdeutlicht, wie heftig der Geschäftsführer den Start seiner Assistentin madig gemacht hat und wie sehr er mit seinem Verhalten die Organisation negativ beeinflusst und sogar schädigt. Führungskräfte sind die Vorbilder. Den Bereich HR verstehe ich als Herzstück, der das Ganze glaubhaft vorlebt und gestaltet. Entscheidend bei der Arbeit an der Unternehmenskultur ist auch, dass Sie diese nicht mit einem einmaligen Workshop oder Event verbessern können, sondern es ist die innere Haltung der Protagonisten sowie das konstante Verbessern der Zusammenarbeit und des Betriebsklimas.

[1] Fisher, Roger; Shapiro, Daniel: Erfolgreicher verhandeln mit Gefühl und Verstand. Frankfurt am Main, New York: Campus-Verlag, 2007.